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"Schilddrüse im Brennpunkt" Interview mit der OTZ-Gera zur Veröffentlichung des Patientenratgebers von Dr. Bernd Lorenz

Jeder Zweite hat ein Problem mit seiner Schilddrüse, der Regierung des Körpers. Sie besser zu verstehen, hat der promovierte Arzt Bernd Lorenz aus Gera einen Patientenratgeber veröffentlicht. 

 

Erfahrungen aus dreißig Berufsjahren

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Von

Sylvia Eigenrauch

 

Herr Lorenz, Sie haben auf der Leipziger Buchmesse Ihren Patientenratgeber „Schilddrüse im Brennpunkt“ vorgestellt. Warum entstand er? Weil Sie von Patienten darum gebeten wurden?  

Auch. Hauptsächlich aber, weil mich immer wieder Patienten zu veröffentlichten Büchern ansprachen und teilweise schwer von falschen Meinungen abzubringen waren, die alternativmedizinisch geprägt sind. Viele Dinge, die ich aufgeschrieben habe, stehen in keinen Lehrbüchern. Das sind Erfahrungen aus dreißig Berufsjahren. Vielleicht lesen auch Kollegen das Buch und entnehmen Tipps für den Umgang mit Patienten.

Sie haben alles richtig gemacht?

Ich hoffe. Grundsätzlich ist mein Buch so angelegt, dass es auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Seit zwei Jahren bin ich Mitglied der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.

Die Schilddrüse ist ein kleines Organ. Sie nennen es auch die Regierung des Körpers. Warum ist sie für den menschlichen Organismus so wichtig?

Der Körper wird von Hormonen reguliert. Eine entscheidende Position in dem System nimmt die Schilddrüse ein. Sie organisiert den moderaten Stress des täglichen Lebens vom Haar bis in die große Fußzehe. Verdauung, Herzschlag, Puls, Blutdruck, Wärmeregulation – all das wird angeregt und in Ruhe zurückgefahren, so dass der Körper ausgewogen agiert. Ist die Schilddrüse nicht da, ist die Regulation der Körperfunktionen gestört. Deshalb habe ich sie mit einer Regierung verglichen, die mit ihren Organen den Staatshaushalt reguliert.

Sie sagen, fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat ein Schilddrüsen-Problem. Woraus resultiert das?

Aus Jodmangel. Zu DDR-Zeiten gab es durch staatliche Regulierung, wie die Jodierung von Viehfutter, eine Verbesserung. Mit der Wiedervereinigung ging diese aber wieder verloren. Erst seit 2004 taucht Deutschland nicht mehr auf der Liste der Jodmangelländer auf. Doch bei etwa einem Drittel der Bevölkerung wird dieser Mangel, nach Erhebungen des Robert-Koch-Institutes von 2015, inzwischen schon wieder festgestellt.

Wie erklären Sie den Rückfall?

Das liegt daran, dass vegane und vegetarische Ernährung ebenso modern sind wie Fertignahrungsmittel. Letztere werden zu 90 Prozent importiert und also nicht nach deutschen Maßstäben hergestellt. 

Was sind Anzeichen für ein Schilddrüsen-Problem?

Typisches Engegefühl im Hals oder Schluckbeschwerden. Manche Menschen bekommen auch eine Beule am Hals.

Was überwiegt? Die Unter- oder die Überfunktion?

In unserer Praxis überwiegt die Unterfunktionsbehandlung. Bundesweit ist der Anteil beider Auffälligkeiten nahezu gleich.

Sind Schilddrüsen-Defekte angeboren oder können sie in jedem Alter neu auftreten?

Das hängt von der Störung ab. Relativ selten ist die angeborene Funktionsstörung, die über die Entnahme von Fersenblut beim Neugeborenen getestet wird. Die allermeisten sind erworbene Störungen, wobei nicht alle auf Jodmangel zurückzuführen sind. Auch Autoimmunfehler, also die Überaktivität des Immunsystems, sind Ursachen.

Kann Ihr Ratgeber einen Arztbesuch ersetzen?

Nein, keinesfalls. Er ist nur zur Verbesserung des Verständnisses gedacht. Ich denke es ist ganz gut, wenn der Patient in aller Ruhe nachlesen kann. Vielleicht ist in der Kürze der Zeit nicht alles besprochen worden.

Sie haben die Schilddrüsen-Praxis in Gera aufgebaut. Kann auch der Allgemeinmediziner helfen?

In den allermeisten Fällen ja. Die Behandlung ist keine Domäne der Endokrinologie. Wir sind darauf angewiesen, dass alle Fachgebiete mitarbeiten. Die Frauenärzte, die in der ersten Phase der Schwangerschaft einen Test durchführen, die HNO-Ärzte, die bei Schluckbeschwerden erkennen, dass es sich um eine vergrößerte Schilddrüse handeln könnte. Wir brauchen die Augenärzte, weil die Basedowsche Krankheit teilweise zuerst hier festzustellen ist und wir brauchen natürlich die Zusammenarbeit mit den Ärzten für Inneren Medizin. Bei der großen Zahl von Patienten ist es nicht möglich, dass alle von Spezialpraxen behandelt werden. Wir bauen darauf, dass unsere Kollegen eine Vorauswahl treffen und  Zwischenkontrollen vornehmen.

Dominiert weiter die medikamentöse Therapie oder wird heute mehr operiert?

Als ich begonnen habe, war die Zahl der Operationen noch relativ hoch in der Region. Heute ist sie im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eher gering. Das liegt daran, dass wir hier tätig sind. Wir verhindern die meisten Operationen. Doch in unserer Region, die bis Saalfeld und Zwickau reicht, sind uns in letzter Zeit vier Kollegen ohne Nachfolger verloren gegangen. Das ist keine Entwicklung, über die man sich freuen kann. Aber das ist die Realität. 

Sie schreiben, dass die richtige Einstellung der Dosis enorm wichtig ist. Welche Rolle spielen Art und Zeitpunkt der Tabletten-Einnahme?

Mit L-Thyroxin behandeln wir sowohl die Unterfunktion als auch Knoten und vergrößerte Schilddrüsen. Wird die Tablette mit der Nahrung aufgenommen, werden die Wirkstoffe durch die Eiweißbindung bis zu 20 Prozent inaktiviert. Deshalb empfehlen wir die Einnahme eine halbe Stunde vor der Mahlzeit mit reichlich Wasser. Wichtig ist auch die Regelmäßigkeit. Ein plötzlicher Abfall kann bei einer Unterfunktion im Extremfall zum Herzinfarkt führen. Beispielsweise, wenn im Urlaub die Einnahme vergessen wurde.

In jedem Lebensabschnitt sollte die Dosis neu eingestellt werden. Wie meinen Sie das?

Schwangerschaft, Wechseljahre, Alter sind solche Lebensphasen. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie bemängelt, dass eine ganze Reihe von Patienten nicht optimal eingestellt sind. Wir wünschen uns mehr Möglichkeiten der Information der Kollegen. Aber an den großen Kliniken, die das übernehmen könnten, werden Fachabteilungen abgeschafft. In Gera gibt es sie schon 25 Jahre nicht mehr. Heute wird das damit erklärt, dass die Vergütung der Krankenhäuser so schlecht sei. Das bedeutet aber für die Bevölkerung, dass sie nicht mehr so optimal versorgt ist.

Gibt es erste Resonanz auf Ihr Buch?

Patienten haben mir gesagt, dass es gut verständlich sei und dass sie darin meinen Stil erkennen. Erste Anregungen habe ich aufgenommen. Für die elektronische Variante erfolgte bereits das zehnte Update. Ich hatte lange Material gesammelt und auch über 80 Fragen, die in der Praxis am meisten gestellt werden, beantwortet. Der Verlag sagte mir, dass es inzwischen Bestellungen bundesweit und auch aus der Schweiz gibt.

Sind Sie selbst an der Schilddrüse erkrankt?

Ich habe, wie viele, einen Knoten. Aber das ist nicht wirklich immer eine Krankheit.

„Schilddrüse im Brennpunkt“, erschienen im Garamond Verlag, Jena ISBN: 978-3-944830-77-3

 

 Dr.med. Konstanze Ritter und Manja Würzer

Schilddrüsenpraxis Dr. med. Konstanze Ritter und Manja Würzer Gera
Tel.: +49 365 34057
Wir sind am besten erreichbar in der Zeit von 11:00 - 15:00 Uhr (Mittwoch + Freitag 11:00 - 13:00 Uhr)


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