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Jodmangel in Deutschland weiterhin aktuell !
Jodversorgung
Viel zu früh für endgültige Entwarnung
In Deutschland herrscht nach offizieller Lesart kein Jodmangel mehr. Dennoch haben hier mehr als 20 Millionen Menschen behandlungsbedürftige Jodmangelstrumen oder knotige Schilddrüsenveränderungen.
Von Peter Leiner
Die Schilddrüse braucht Jod - doch gibt es Befürchtungen, dass sich in Abhängigkeit von der Jodaufnahme eine Schilddrüsenerkrankung entwickeln könnte.
© p6m5 / fotolia.com
MARBURG. Auch wenn die Zahl nicht streng epidemiologisch erhoben worden ist, sondern auf einer Hochrechnung auf Basis der Papillon-Studie mit etwa 100.000 Teilnehmern beruht, ist sie doch beeindruckend: Etwa jeder dritte Einwohner Deutschlands, also ungefähr 25 Millionen Menschen, hat auffällige Veränderungen der Schilddrüse, bei über 65-Jährigen möglicherweise sogar jeder Zweite.
Das sind nicht zwingend alles Patienten mit Funktionsstörungen der Schilddrüse, die eine Therapie erforderlich machen.
Allerdings: Noch immer ist die Ursache für die am häufigsten vorkommenden Strumen und kleinen Schilddrüsenknoten der Jodmangel - auch wenn Deutschland von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen von der Liste der Länder mit Jodmangel gestrichen worden ist.
Der Arbeitskreis Jodmangel, gegründet von Mitgliedern der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, schätzt, dass mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland behandlungsbedürftige Jodmangelstrumen oder knotige Schilddrüsenveränderungen haben.
Jodversorgung nimmt wieder ab
Nach Ansicht von Professor Markus Luster vom Uniklinikum Marburg ist derzeit der Trend zu beobachten, dass die Jodversorgung in Deutschland seit der WHO-Entscheidung wieder abnimmt.
"Aus meiner Sicht ist es deshalb viel zu früh, eine endgültige Entwarnung zu geben", so der Nuklearmediziner, der auch Sprecher der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ist, zur "Ärzte Zeitung".
Man müsse das Problem des Jodmangels weiterhin regelmäßig ins Bewusstsein der Menschen rufen. Gerade Eltern und Schwangere sollten immer wieder darauf hingewiesen werden, dass ihre Kinder oder sie selbst ein erhöhtes Risiko für einen Jodmangel haben.
Um eine ausreichende Jodversorgung zu gewährleisten, wird nicht nur in der Tierfutterherstellung seit langem jodiertes Salz verwendet, sondern seit 1989 auch als "Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs" zur Verfügung gestellt.
Allerdings wird der Appell, verstärkt auf Jodsalz zurückzugreifen, dadurch konterkariert, dass die WHO zur Reduktion des Risikos für Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfälle inzwischen empfiehlt, die Aufnahme von Salz auf weniger als 5 Gramm pro Tag zu senken.
Damit der weltweite Erfolg der Jodversorgung - 70 Prozent aller Haushalte haben inzwischen Zugriff auf jodiertes Speisesalz - nicht zunichte gemacht werde, müssten beide Programme gut aufeinander abgestimmt werden, so Endokrinologen um Dr. Elizabeth Pearce von der Boston University School of Medicine (Thyroid 2013; 23/5: 523-528).
Keine Angst vor Hashimoto
Schilddrüsenerkrankungen sind in Deutschland eine echte Volkskrankheit. Neues zur Vorsorge, Versorgung und Therapie lesen Sie im Dossier Schilddrüse der "Ärzte Zeitung" ...
Die Angst, durch die Zufuhr von Jodid mit der Nahrung oder als Tabletten etwa Autoimmunphänomene wie die Hashimoto-Thyreoiditis auszulösen, ist nach Ansicht von Luster in der Regel unbegründet, dazu seien die zugeführten Jodiddosen mit 100 bis 200 μg/Tag zu niedrig. So gebe es zum Beispiel Studien, in denen die Menge, die Autoimmunthyreopathien auslöst, bei 500 μg/Tag liege.
Im Einzelfall sei es allerdings schwierig, die Entwicklung einer Schilddrüsenerkrankung in Abhängigkeit von der Jodaufnahme durch die Nahrung vorherzusagen, da bereits die Erkrankung selbst, etwa die Hashimoto-Thyreoiditis, einen sehr variablen Verlauf nehmen könne.
Luster: "Ich kenne keine aktuelle Statistik aus Deutschland, die belegt, dass durch eine bessere Jodversorgung die Zahl der Autoimmunerkrankungen zunimmt."
Bereits Hausärzte können mit einfachsten Mitteln prüfen, ob bei Verdacht ihre Patienten tatsächlich Schilddrüsenveränderungen haben. Palpation und TSH-WertBestimmung reichen bereits aus.
Luster: "Die Ergebnisse sagen in der Regel schon, ob alles in Ordnung ist oder nicht. Ein normaler TSH-Wert schließt eine massive Störung aus."
Wenn der TSH-Wert zu hoch oder zu niedrig sei oder bei verdächtigen Knoten, die gewachsen oder die bei jungen Patienten neu aufgetreten sind, sollten die Patienten zum Spezialisten überwiesen werden. Solange dies nicht der Fall sei, seien Hausärzte aufgefordert, diese Patienten selbst zu betreuen.
Jodmangel
Jodmangel-Struma (Kropf) und SD-Knoten
Warum entsteht eine Struma ?
Die häufigste Ursache (ca. 90 %) für einen Kropf ist der ernährungsbedingte Jodmangel in Deutschland.
In der Eiszeit lag Deutschland unter einer meterdicken Eisschicht, die mit der Erderwärmung schmolz .Das Schmelzwasser hat dann das Jod aus den Böden gewaschen und in die Meere transportiert. In unseren konventionellen Nahrungsmitteln fehlt deshalb das Jod.
Zusätzlich besteht häufig eine erbliche Veranlagung zur Kropfentstehung. Vor allem in Zeiten von gesteigertem Hormonbedarf wie Pubertät, Schwangerschaft und Stillzeit tritt häufig erstmals ein Kropf auf. Leidet die Schilddrüse unter Jodmangel, so vergrößern und vermehren sich ihre Zellen. Die Zellvermehrung führt oft zur Knotenbildung in der Schilddrüse. Später kann es dann auch zur Entwicklung von Überaktivitäten der Zellen mit Schilddrüsen-Überfunktion kommen.
Wie wird die Diagnose gestellt ?
Zunächst hat Ihr Arzt Ihre Beschwerden erfragt (z.B. Kloß- und Engelgefühl im Halsbereich, Zunahme des Halsumfanges, Luftnot, Schluckbeschwerden, Berührungsempfindlichkeit am Hals). Durch Abtasten der Schilddrüse kann der Arzt eine Vergrößerung und etwaige Knoten der Schilddrüse erkennen.
Mit Hilfe des Ultraschalls (Sonographie) kann der Zustand der Schilddrüse noch genauer beurteilt werden. Durch eine Blutentnahme und Messung des TSH- Wertes (Schilddrüsenstimulierendes Hormon) schließt der Arzt eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse aus.
Um eventuell bestehende Knoten im Kropf genauer zu untersuchen, ist manchmal eine Szintigraphie notwendig.
Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es ?
Welche Behandlung die geeignete ist, muß individuell vom Arzt entschieden werden.
Die Behandlung hängt von der Größe und Beschaffenhait des Kropfes, vom Alter des Patienten und von den zusätzlichen Erkrankungen ab. Bei der medikamentösen Behandlung erhalten Sie entweder ein Jodpräparat, ein Schilddrüsenhormon-
präparat oder eine Kombination aus beiden Präparaten. Eine operative Entferung der Schilddrüse kann bei sehr großen Kröpfen oder bei dem Verdacht auf den sehr seltenen Schilddrüsenkrebs notwendig werden.
Bei manchen Patienten ist die Radiojodtherapie ein schonendes alternatives Verfahren.
Was kann ich für die Vorbeugung tun ?
Um eine Jodmangelstruma zu verhindern, ist eine ausreichende Jodzufuhr notwenig. Achten Sie beim Einkauf von Lebensmitteln darauf, daß sie unter Verwendung von Jodsalz hergestellt wurden.
Vermeiden Sie bitte bei familiärer Häufung von Struma und Knoten in der Schilddrüse vegane oder vegetarische Ernährungsweisen sowie den Verzehr von "Fertiglebensmitteln". In der Pubertät, während der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Klimakterium ist der Jodbedarf besonders hoch!
Verwenden Sie im Haushalt ausschließlich Jodsalz !
Da diese Maßnahmen in Deutschland oft nicht ausreichen, ist die einfachste Möglichkeit dem Jodmangel zu begegenen, die tägliche Einnahme von Jod-Tabletten. Die Verträglichkeit ist sehr gut, Allergien gegen Jod sind nicht möglich. Halten Sie jedoch vor Einnahme, der in der Apotheke rezeptfrei erhältlichen Jodtabletten (100 oder 200µg), Rücksprache mit Ihrem Arzt, da einige Schilddrüsenkrankheiten eine zusätzliche Jodzufuhr nicht vertragen!
Jodhaltige Nahrungsmittel
Meeresfisch, Spinat, Milchprodukte,
Jodsalz, Kindernahrung,
mit Jodsalz gewürzte Fleisch-, Wurst- und Backwaren (sind heute allgemein üblich)
Wichtig:
Der Kochvorgang entfernt das Jod aus der Nahrung!
Süßwasserfisch enthält kaum Jod !
Weiterführende Informationen erhalten Sie in unserem Ratgeber "Schilddrüse im Brennpunkt" von Dr. med. Bernd Lorenz siehe unten.